Generation WTF: Ostdeutschland in Männerhand?

Generation WTF: Ostdeutschland in Männerhand?
Generation WTF: Ostdeutschland in Männerhand?

Zwei Männer auf eine Frau? Wie das Geschlechterverhältnis im sogenannten Osten aussieht und welche Challenges das mit sich bringt. Foto: igor_kell, istock

What the fuck is going on? In unserer neuen Reihe „Generation WTF“ werfen wir einen Blick auf die Differenzen zwischen Generationen und decken auf, wie tiefgreifend sie sind – oder ob sie überhaupt existieren. Wir wollen beleuchten, worin die wichtigsten Herausforderungen für uns liegen, wie die Einstellung älterer Menschen diesen Challenges gegenüber ist und wie wir gemeinsam mit den Erfahreneren einen Weg in eine lebenswerte (Lausitzer) Zukunft finden. Diesmal unser Thema: der Frauenmangel unserer Generation in Ostdeutschland – und wie wir ihm entgegenwirken können.

Clubs wie das Berghain oder der Kit-Kat-Club, die bei den Partygästen Wert auf ein ausgeglichenes Männer-Frauen-Verhältnis legen und an der Tür dementsprechend selektieren, hätten es in ländlichen Regionen Ostdeutschlands wohl schwer. Nicht etwa, weil die Techno- oder Hedonismuskultur nirgendwo so stark ausgeprägt ist, wie in Berlin – sondern: weil hier Frauenmangel herrscht. Massenhaft packen junge Menschen nach dem Abitur, insbesondere junge Frauen, ihre Taschen und hinterlassen nicht nur einen Männerüberschuss auf den Tanzflächen. Ostdeutschland vermännlicht im Allgemeinen – und wird immer älter. Dazu drei ernüchternde Fakten:

  • In einigen besonders strukturschwachen Regionen beträgt der Männerüberschuss 25 Prozent (Destatis) – ähnlich wie in Grönland oder auf einigen ablegen griechischen Inseln.
  • 27 Prozent der Menschen im Osten sind älter als 65 Jahre (Westen: 22 Prozent) – da kann nur Japan mithalten (Destatis).
  • Laut dem aktuellen Lausitz Monitor halten es 37 Prozent der Menschen von 16 bis 29 Jahren für wahrscheinlich, dass sie in den nächsten zwei Jahren aus der Lausitz wegziehen.

Warum verschwindet die sogenannte Generation Z, die wir in unserer vergangenen Ausgabe zur Generation WTF getauft hatten, aus den ländlichen ostdeutschen Regionen? Meistens begibt sie auf die Suche nach Sinn, Verwirklichung und Karriere – und das in den umliegenden Metropolen Berlin, Leipzig und Dresden. Das Geschlechterverhältnis ist in diesen Regionen folgerichtig ausgeglichener, selbst wenn sich auch diese Städte mitten im „wilden Osten“ befinden. Die Unausgeglichenheit zeigt sich nördlich, westlich, südlich und östlich dieser Großstädte.

Bearded man in winter, adventure mountain man with a beard in the snow. Background of the old village

In Grönland sucht man Frauen ähnlich vergebens wie in manchen Regionen Ostdeutschlands. Foto: Oleg_Ermak, istock

Klimaschutz in Lausitzer Hand!

Dabei möchten wir, wenn es um Verwirklichung und Karriere geht, vor allem mit unserer Lausitz eine Lanze brechen. Die Message, die wir im lauter und auch in unserem Hochschulmagazin lauter.campus rüberbringen wollen, erzählt sogar von deutschlandweit einzigartigen Perspektiven: Mitten im Zentrum Europas, in der Lausitz, sprießt nämlich eine unfassbare Dichte an Ansiedlungen aus dem Boden, die sich um nichts weniger Wichtiges drehen, als den Klimaschutz. Es ist daher an der Zeit, dass die Generation WTF erkennt, dass hier die Zukunftsmusik spielt. Vier Fakten gefällig, die dafürsprechen, warum die Lausitz eine der spannendsten Regionen Deutschlands ist?

  • Die Lausitz ist ein Reallabor: Wie gelingt die Transformation von einer Braunkohle- zur wirtschaftsstarken, umweltfreundlichen Zukunftsregion? Über 17 Mrd. Euro investiert die Bundesregierung in diese Region, um diese Frage modellhaft zu beantworten.
  • Der Forschungsturbo läuft auf Hochtouren: Dutzende Forschungsinstitute von Lausitzer Hochschulen und von außen wachsen derzeit heran, aktuelles Beispiel: die Ankündigung des Aufbaus des Deutschen Zentrums für Astrophysik in Görlitz.
  • Frischen Ideen wird der rote Teppich ausgerollt: Kostenlose Gründungsberatung und moderne Co-Working-Spaces sind eine Selbstverständlichkeit.
  • Lausitzer:innen leben in einer Urlaubsregion: Als ein paradiesisches Nebenprodukt der Strukturentwicklung entsteht hier Europas größtes künstliches Wasserrevier mit mehr als 20 Seen.

Immerhin: Etwa jede:r Sechste, der:die einmal von Ost- nach Westdeutschland ausgewandert war, kehrte irgendwann wieder zurück. Diesen Wert ermittelte das ifo Institut für den Zeitraum 2000 bis 2012. Nach dem Studium ist es also für unsere Generation nicht unüblich, wieder in die Heimat zurückzukehren. Dennoch sind Teile von Generation Y und Z – nämlich jene im Alter von rund 18 bis 30 Jahren – in den ländlichen ostdeutschen Regionen und speziell in der Lausitz unterrepräsentiert.

Die Challenge: niemanden mehr zurücklassen

So viel zu der Altersthematik – doch warum sind es überproportional viele Frauen, die unsere Region verlassen? Darauf fand Dr. Julia Gaber, Sozialwissenschaftlerin an der Hochschule Zittau/Görlitz eine Antwort. Aus ihrer Sicht würden die Qualifikationen von Frauen im Osten weniger wahrgenommen werden. Auch hätten sie nicht so viele berufliche Optionen wie die Männer. Die meisten Ansiedlungen zahlen auf „MINT“-Themen ein (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik). Ein Themenbereich, für den Frauen schwieriger zu begeistern sind.

Nun sind Ideen gefragt, um dem entgegenzuwirken. Denn tatsächlich bringt diese Situation große Challenges für die verbliebene Generation Z mit sich. So wirke sich die demografische Situation negativ auf die Lebensqualität aller aus. Der damit einhergehende Verfall führe insbesondere in kleinen Gemeinden zum Gefühl des Abgehängt-Seins und infolgedessen zu einem Vertrauensverlust in das politische System. Weniger vorhandenen und schwieriger sichtbaren jungen Menschen wird auch auf der politischen Agenda ein kleineres Gewicht eingeräumt.

8 Lösungsansätze

Welche Rahmenbedingungen müsste die Lausitz erfüllen, um für junge Menschen attraktiv zu sein? Dieser Frage ging der Verein „Junge Lausitz“ in seinem Perspektivplan nach. Der Verein gibt Lausitzer:innen von 14 bis 35 Jahren eine Stimme und bringt Ideen in den Strukturwandelprozess ein. Die Junge Lausitz betont unter anderem:

  1. Auch über die Einrichtung eines Medizinstudiums hinaus muss das Studien- und Ausbildungsangebot der Lausitz verbessert werden.
  2. Durch ein digitales „Netzwerk Unternehmensnachfolge“ können junge Talente und (übergabewillige) Unternehmen zusammengebracht werden.
  3. Mit Modellprojekten sollen die ländlichen Regionen besser an urbane Zentren angebunden werden, auch sollen umliegende Metropolen schneller erreichbar sein.
  4. Bar- und Clubprojekte sowie Festivals sollen unterstützt werden.
  5. Jugendparlamente und -beiträte mit Anhörungs-, Rede- und Antragsrecht sollen in allen Städten und Gemeinden zum Standard werden.

Speziell zur Bekämpfung des Frauenmangels könnte aus Sicht unserer Redaktion Folgendes hilfreich sein:

  1. MINT-Fächer leichter zugänglich für junge Frauen machen
  2. bei zukünftigen Strukturwandelansiedlungen ein großes Augenmerk auf kultur-, sozial- und geisteswissenschaftliche Themen legen
  3. die Stories junger, erfolgreicher Frauen erzählen

Der Perspektivplan der Jungen Lausitz zum Nachlesen

Spannende Stories von und über Lausitzer Frauen

In der nächsten Ausgabe von Generation WTF (Frühjahr 2023): Warum die Generation WTF schneller im Chefsessel sitzen könnte, als gedacht