Der Sonnengott vom Schillerplatz

Der Sonnengott vom Schillerplatz
Der Sonnengott vom Schillerplatz

Knallbuntes Outfit, bäriger Bart und ikonischer Slang – Nikolaus Sonnenkreuz ist in Cottbus Kult – oder Reizfigur, je nach Blickwinkel. In seinen Reels spaziert er durch die Innenstadt, droppt Weisheiten und nimmt sich und andere auf die Schippe – oder er filmt sich im Schillerpark mit Menschen, die offenbar durch Alkohol auf die schiefe Bahn geraten sind. Möchte Nikolaus Sonnenkreuz durch Reels mit „Pepsi“, „Camping Cora“ und Co. nur Aufmerksamkeit erhaschen oder steckt mehr dahinter? Wir haben uns mit dem Influencer auf einem Dach über Cottbus getroffen und überraschende Einblicke in seine Persönlichkeit erhalten.

lauter: Bei der Ankündigung dieses Interviews kritisierten uns manche User, dir eine Plattform zu geben, weil du stadtbekannte Alkoholiker für deine Reichweite ausnutzen würdest. Was möchtest dem entgegnen?

Nikolaus Sonnenkreuz: Ich möchte eine wichtige Gegenfrage stellen: Von wem bekommen Pepsi, René, Cora und Co. denn sonst Aufmerksamkeit, außer von mir? Wer setzt sich mit denen auseinander? Wer kennt die seit über 25 Jahren, war mit denen schon im Jugendalter unterwegs und kann sich deshalb rausnehmen, solche Videos mit ihnen zu drehen? 

Ich möchte den Kritikern gern entgegenbringen, dass ich diese Menschen gar nicht als Alkoholiker betrachte, sondern einfach nur die Seele dieser Leute sehe. Ich werde auch manchmal direkt gefragt, warum ich „mit solchen Assis Content mache“. Da geht schon die Wertung los. Genau diese Kritiker laufen dann an Pepsi und Co. vorbei und schauen auf sie herab. Wer nutzt denn da wen aus? 

lauter: Du bist generell als schrille Persönlichkeit bekannt. Gab es einen Schlüsselmoment, der dich zu so einem „verrückten Vogel“ gemacht hat?

Nikolaus Sonnenkreuz: Ja, man. Ich war früher dieser typische Ego-Paul aus Cottbus, der denkt: Ich bin es. Der von sich selbst überzeugt ist und seinen Wert über andere stellt. Irgendwann gelangte ich jedoch an einen Punkt, an dem ich mich selbst einfach nur noch abgrundtief hässlich fand. Da erkannte ich: Es lag an mir. Ich zog das Negative an, weil ich es selbst war. Ich habe mich dann eines Tages komplett rausgenommen und einfach dem Treiben des Wassers zugesehen. Das war ein mystisches Erlebnis, das ich eigentlich gar nicht in Worte fassen kann. Stell dir vor: Links von mir eine blaue Libelle, ich weine plötzlich, mein Ego fällt von mir ab – und ich sehe mich selbst als den größten W*****r, der so viel Sch*** gebaut hat. Und gleichzeitig checke ich: Alles ist miteinander verbunden. Jede Art von Lebewesen, weil alles Energie ist, weißt du? 

Und dann – Boom – ging in mir eine Sonne auf. Ich habe mich gefühlt, als würde mein Herz wie eine Blume aufblühen. Ab da wusste ich: Egal, was kommt – ich brauche nichts anderes, außer einfach da zu sein. Ich bekam ein Gefühl von ewiger Glückseligkeit.

lauter: Kommt von dieser inneren Sonne auch dein Name: Sonnenkreuz?

Nikolaus Sonnenkreuz: Genau. Das Kreuz ist für mich ein Symbol, auf das ich lange meditiert habe. Ich kann jedem empfehlen, darauf zu meditieren – da kommen Erkenntnisse, da kannst du Bücher drüber schreiben. Und das „Sonnenkreuz“ selbst erschien mir wie eine Tagesvision. Ich denke darüber allerdings nicht viel nach, weil: Umso mehr du über etwas nachdenkst, desto konstruierter wird es. Dann kommt es nicht mehr aus deinem Inneren – aus deinem Ur, weißt du?

lauter: Gibt es Orte in Cottbus, an denen du besonders gern über solche Dinge nachdenkst?

Nikolaus Sonnenkreuz: Safe: an der Spree. Die Spree ist für mich das Paradies und preisleistungstechnisch auf allen Ebenen unschlagbar (lacht). Ich habe viele Länder gesehen, aber die Spree toppt alles. Die Spree war schon da, bevor alles andere da war – sie ist Ur.

Und das Ding ist: Ich brauche kein Kroatien oder Spanien mehr. Ich mache die Augen zu – 30 Sekunden – und bin überall. Seit ich weiß, wie ich meinen Geist kontrolliere, kann ich mit geschlossenen Augen reisen. Andere halten mich für verrückt – aber egal. An der Spree bin ich eins mit mir selbst und der Natur. Da kann ich baden wie nirgends sonst, da bin ich Aquaman. Den Wassermann als sorbische Sagengestalt habe ich sogar für die Doku Serbski Utopia verkörpert. 

lauter: Würdest du dich zum Sorbentum bekennen?

Nikolaus Sonnenkreuz: Ich bekenne mich zu allem und zu nichts. Am Ende geht’s nur um Geburt und Tod, und um das, was bleibt. Aber klar: Das Sorbische ist für mich etwas Magisches. Ich liebe die sorbischen Ostereier, die Sagen und Mythen. Und ich feiere Leute wie Hella Stoletzki – sie repräsentiert das Sorbentum heute einzigartig, modern und en vogue. Kennst du sie?

lauter: Klar, ihren Bruder auch. Cottbus ist einfach ein Dorf, findest du auch?

Nikolaus Sonnenkreuz: Klar, Cottbus ist ein Dorf. Aber weißt du, warum uns das so vorkommt? Weil unsere Seele eigentlich fühlt, dass wir mit allen Menschen verbunden sind. Wenn dir schon Cottbus wie ein Dorf vorkommt, dann würde dir die ganze Welt wie ein Dorf vorkommen, wenn du noch offener wärst. Am Ende ist alles Wahrnehmung. Die Welt ist ein Dorf – und eine unendliche Stadt zugleich.

lauter: Spielt Politik auf deinem Kanal insgeheim eine Rolle?

Nikolaus Sonnenkreuz: Nein, bei mir wird keine Politik gemacht. Es sei denn, es ist eine Politik der Liebe und des Mitgefühls. Eine Politik der Kreativität. 

Ich kenne keine Probleme, sondern nur Lösungen. Es gibt für mich kein Links und Rechts. Das Wort „Nazi“ ist für mich nur eine Erfindung. Angst steht für sie über allem. Sie verteidigen ihre Möchtegern-Heimat, ihre Möchtegern-Tradition. In Wirklichkeit sind es arme Seelen. Entschuldigung, liebe Nazis, wenn ihr das hört und euch als Nazi fühlt – es ist mir sch***egal. Es ist euer Problem, weil ihr es zu eurem gemacht habt. 

In diesem Zusammenhang aber auch ein Tipp an alle linkspolitisch Orientierten: Wisst ihr, wie die AfD sofort verschwinden würde? Tut doch mal für eine Woche so, als würde es sie überhaupt nicht geben. Sie würde sich in Luft auflösen. Gibst du etwas Beachtung, wird eine Gegen-Energie kommen. Statt es zu bekämpfen, förderst du die Polarität. Jetzt kannst du dir denken, wie viel ich auch von den Linken halte.

Ich habe keine Dogmen oder Glaubenssätze. Ich gehe gern in die Kirche, aber nicht, weil ich an Jesus glaube. Glauben ist schön – aber Wissen bringt dich weiter. Für mich kam die Selbstfindung gleichzeitig mit dem Glauben an das, was andere Gott nennen.

Und was ist Gott für mich? Die treibende Kraft des Universums, die aus dem Ur alles hervorgebracht hat. Jeder Mensch ist ein Universum für sich. 

lauter: Wenn du frei wählen könntest – wie sähe für dich die schönste Gesellschaftsform aus?

Nikolaus Sonnenkreuz: Ganz einfach: Alle Religionen, alle Farben, alle Menschen leben in Frieden nebeneinander. Die sieben Hauptreligionen erkennen, dass sie aus derselben Ur-Religion entstanden sind. Und dann merken alle: Wir stammen aus demselben Samen.

Aber: Wir kommen allein und wir gehen allein. Wer das verstanden hat, kann wunderbar in Gemeinschaft leben und etwas Liebe, Kreativität und vor allem Mitgefühl hineinbringen. Weil du imstande bist, dich mit dem Lebewesen, das dir gegenübersitzt, zu verbinden. 

Alle reden immer von Waves und Vibes. Ich habe das Gefühl, das sind irgendwelche Modeerscheinungen. Nein – das sind Ur-Wahrheiten, Gesetze des Universums. Wie das Gesetz der Anziehung. Jeder Mensch ist ein Magnet und entscheidet selber, ob er anziehend oder abstoßend wirkt.

lauter: Glaubst du an den Urknall?

Nikolaus Sonnenkreuz: Ich glaube an das Ur, Bruder. Du spielst auf die Urknall-Partys an – die feiere ich, ehrlich. Und ich hoffe, dass ich bei der nächsten Party dabei bin – um ausgelassen zu tanzen und meine Seele mit der Musik zu verbinden. Tanzen ist für mich eine Verbindung zu Gott.

lauter: Wenn du deine wichtigsten Lebensweisheiten zu drei Geboten zusammenfassen müsstest – wie würden sie lauten?

Nikolaus Sonnenkreuz: Lebe und liebe. Und finde zwischen Leben und Lieben eine gesunde Mitte. Alles andere kommt von allein. 

Renn keinem Geld, Materialismus oder Status hinterher. Nähre nicht nur deinen Leib, sondern füttere deine Seele. Alles, was du besitzt, solltest du innerhalb von fünf Sekunden loslassen können. Nur dann kommst du in den göttlichen Fluss und merkst: Du kommst allein, du gehst allein, und du nimmst nichts mit.

Behalte deinen eigenen Geist. Selbst dein bester Freund kann dich unbewusst davon abhalten, ein Unikat zu sein. Mach dich von keinem Menschen emotional abhängig – nicht von Eltern, nicht von Freunden. Ich habe selbst erlebt, dass Familie und Freundschaften meine größten Hindernisse waren. Seit ich alle hinter mir gelassen habe, bin ich glücklicher und frei.

lauter: Vermisst du es nicht, einen besten Freund zu haben?

Nikolaus Sonnenkreuz: Überhaupt nicht, weißt du warum? In diesem Moment, während ich mit euch hier sitze, bin ich in meinem besten Jetzt, fühle mich perfekt und habe nichts zu hadern und zu meckern. Jetzt sehe ich euch als beste Freunde, weil ich diesen Moment mit euch in bester Harmonie teile.

Wenn ich wieder gehe, bin ich wieder mein eigener bester Freund. Aber ohne egoistisch meinem Nächsten gegenüber zu sein, der gerade meine Unterstützung braucht, denn dann schalte ich auf Mitgefühl um. Verstehst du: Es sind am Ende des Tages alle Menschen meine Freunde, die es möchten.

lauter: Würdest du denn Pepsi, René und Cora als deine Freunde bezeichnen?

Nikolaus Sonnenkreuz: Pepsi und Co. sind mehr meine Freunde als der Durchschnitt – weil sie verrückt sind wie ich, nur anders. Ich kenne die Sorgen, Probleme und Ängste von denen besser als die, die meinen, darüber urteilen zu müssen. Die urteilenden Leute richten damit eigentlich auch über sich selbst. 

Wir danken für das Interview.

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